Montag, 7. März 2011

11. Kleines Streichkonzert

Es gibt viele Gründe, wenn ein Redetext kein großer Wurf wird. Es kann am Thema, am Anlass, am Zweck liegen, auch an der Tagesform des Verfassers. Wenn der Redenschreiber damals schlecht drauf gewesen wäre, könnte John F. Kennedy heute nicht immer wieder mit diesem Appel an den Bürger zitiert werden: "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann; frage, was du für dein Land tun kannst."

Aber es gibt ein paar kleine Regeln, wie man jeden Text, erst recht jeden Redetext, besser machen kann. Ein Tipp ist: Dezimieren Sie Wörter, die auf "ung" enden! Die Erfahrung zeigt, dass die Vermeidung dieser Wortbildungen mit "ung" eine besondere Bemühung erfordert, denn ihre Verwendung entspricht einer weit verbreiteten, eher unbewussten Übung. So also nicht. Besser: Wörter mit "ung" benutzt man unversehens, also aufgepasst!

In einem Text heißt es: "Ich habe die Weisung erteilt, dass die Ausschreibung aufgehoben wird, weil alle Bewerbungen den Bedingungen nicht entsprachen." Man kann stattdessen formulieren: "Ich habe die Behörde angewiesen, die Ausschreibung aufzuheben. Denn alle Bewerber erfüllen nicht, was verlangt ist."

Jedes "ung" weniger macht einen Redetext lebendiger und meistens auch konkreter. Er lebt noch mehr auf, wenn man ihn auch noch um ein paar Adjektive erleichtert. Es muss nicht der "zentrale Focus" sein, in dem etwas steht; der Focus ohne Zusatz reicht nicht nur, er ist auch stärker. Aber es geht nicht nur um Adjektive. Auch andere Beiwörter müssen ihre Funktion schon auf den ersten Blick nachweisen, sonst haben sie keine: "Eine unserer Hauptforderungen, auf die wir besonderes Augenmerk lenken" - so etwas ist ein Tummelplatz des Quallenfetts, und Quallenfett ist der Inbegriff des Überflüssigen.

Harald Martenstein schrieb kürzlich im Zeit Magazin an einen Bild-Kolumnisten, der auch Gossen-Goethe genannt wird: "Lieber Franz Josef Wagner, beim Schreiben, haben Sie einmal gesagt, musst du ein zärtlicher Wolf sein. Oder auch: Jeder Satz ist ein Fisch. Den musst du filetieren. Erst müssen die Gräten raus, dann der Schmodder. Du musst den puren, rohen Satz schaffen, totale Verknappung, bei gleichzeitiger Poesie."

Beim Satz in der Rede muss die Poesie nicht unbedingt sein. Aber der Schmodder muss weg.