Montag, 28. Februar 2011

10. Yes we can!

Mark Twain berichtet in seinem Essay "Die schreckliche deutsche Sprache" von einem Patienten, der im Krankenhaus starb, als die Ärzte ihm ein dreizehnsilbiges Wort heraus operieren wollten. Manche deutsche Wörter, so Twain, seien so lang, "dass man sie nur aus der Ferne sehen kann". Er nennt unter anderem das Beispiel Stadtverordnetenversammlung und stellt fest: "Dies sind keine Wörter, es sind Umzüge sämtlicher Buchstaben des Alphabets."

Solche Prozessionen sind nicht nur für Menschen schwierig, die sich mit Deutsch als Fremdsprache plagen wie einst Mark Twain. Sie sind auch für uns mühsam, und in guten Reden sind sie Gift. Im Protokoll eines norddeutschen Landtages finden wir schon auf den ersten Seiten jede Menge solcher Buchstaben-Umzüge. Das fängt mit Teilhabebeschränkungen und Handlungsmöglichkeiten an; da ist die Rede von Effektivitätssteigerungsvorschlägen und von der Armutsgefährdungsquote; es geht um Ökologisierungskomponenten, um Treibhausgaseemissionen und um Wettbewerbsbenachteiligungen.

Bei solchen Gebilden haben es Redner und Zuhörer gleichermaßen schwer. Zu lange Wörter sollten in einem Redetext aufgelöst werden. Wie das geht, hängt sehr vom Zusammenhang ab, aber irgendwie geht es immer. Man kann ein Wortungetüm in mehrere Wörter zerteilen, also "Beschränkung der Teilhabe" statt "Teilhabebeschränkung". Man kann das zu lange Wort durch einen Satz ersetzen: Statt "Handlungsmöglichkeiten" stünde da die rhetorische Frage: "Was können wir/sie tun?" Statt "Effektivitätssteigerungsvorschläge" die Formulierung: "XY hat vorgeschlagen, wie die Effektivität gesteigert werden kann. Diese Vorschläge greifen wir auf..."

Nun wimmelt es gerade in der Welt von Politik und Verwaltung von Fachbegriffen, und die kommen - siehe oben - gerne als Bandwurmwörter daher. Aber auch hier gilt: Kürzer ist besser, nichts steht unter Schutz. Dem Fachmann ist einst nur kein besseres Wort eingefallen. Wenn ein ungetümer Fachbegriff trotzdem unbedingt vorkommen muss, dann deklariert man ihn entsprechend und baut ihn zusätzlich ein ("Im Fachjargon heißt das...").

Kürzere Wörter werden besser verstanden und bleiben besser haften. Am stärksten sind einsilbige Wörter. Dank an Thomas Maess für Hinweise dazu und an Barack Obama, der Kurzwortsuchern Beispiel und Ansporn zugleich gibt: Yes we can!