Montag, 21. Februar 2011

9. Mein und Dein der Gedanken

Eine Rede ist keine Dissertation, ein Redner ist kein Doktorand, ein guter Ghost kein unerlaubter Helfer, und Anführungszeichen lassen sich ohnehin schlecht mitsprechen. Was also hat das Redenschreiben mit dem Fall Guttenberg zu tun? Auch jenseits der  akademischen Welt, auch beim zu sprechenden Wort, muss das Mein und Dein der Gedanken beachtet werden, jedenfalls wenn ein öffentlicher Amts- oder Funktionsträger spricht und nicht der Nachbar auf dem Gartenfest.

Wenn man etwas Sachkundiges zur Konjunktur ins Manuskript schreiben möchte, dann kann es schlau sein, zum Beispiel eine einschlägige Rede des Bundesbankpräsidenten zu lesen. Für den Fall, dass sie Stoff für den eigenen Zweck bietet, gibt es zwei Möglichkeiten: Man ziert sich mit ihm, indem man ihn zitiert ("Auch der Bundesbankpräsident sieht es so, denn er sagte neulich....").

Oder man macht sich einen Gedanken zu eigen, indem man ihn wirklich durchdringt und dann in neuer Formulierung, möglichst auch in variierter Argumentation verwendet. Dann braucht der, von dem die Anregung stammt, nicht (unbedingt) genannt zu werden. Große Reden sind schon immer im Dialog entwickelt worden, den die Ghostwriter und oft auch der Redner selbst vorher mit Experten und Weisen zum Thema führten.

Was allerdings niemals geht, und da unterscheidet sich eine Rede doch nicht von der Doktorarbeit, ist die Methode Copy&Paste. Selbst wenn der Bundesbankpräsident wunderbare Formulierungen zur Konjunktur gesprochen hat, außer als ausdrückliches Zitat sind sie in einem anderen Redemanuskript tabu. Das ist nicht so sehr dem Urheberrecht geschuldet, als vielmehr dem Schutz des Redners, für den man schreibt: Fremde Sätze sind peinlich. Erst recht, wenn sie entdeckt werden, und damit ist im Google-Zeitalter immer zu rechnen...