Montag, 3. Januar 2011

1. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte...


sagen die Fotografen, um die Ausdrucksstärke ihres Produktes zu beschreiben. Täglich sehen wir solche Bilder, die mehr sagen als tausend Worte, etwa wenn die Medien aus Kriegs- und Katastrophengebieten berichten. Manche dieser Bilder bleiben uns für immer in Erinnerung, zum Beispiel das neunjährige vietnamesiche Mädchen Kim Phùk, das am 8.Juli 1972 nackt und verzweifelt vor einem Napalm-Angriff flieht und dabei von AP-Fotograf Nick Ut abgelichtet wird. Oder Bundeskanzler Willy Brandt, wie er am 7.Dezember 1970 vor dem Mahnmal des Warschauer Ghettos niederkniet.

Auch innerhalb der Sprache gilt: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. John F. Kennedys "Ich bin ein Berliner" war so ein Sprachbild, das dem amerikanischen Präsidenten einen ewigen Platz in der Ruhmeshalle der Deutschen einbrachte, weil er sich mit ihnen in bedrohter Lage identifizierte. Der SPD-Politiker Franz Müntefering schaffte es mit einem Bild aus der Tierwelt ("Heuschrecken"), einem damals neuartigen Segment des Finanzmarktes (Private Equity) seinen Stempel aufzudrücken.

Nun wird man beim alltäglichen Redenschreiben für unspektakuläre Anlässe nicht jedesmal auf eine Wirkung hoffen können, wie sie selbst amerikanischen Präsidenten auf der Bühne der Weltgeschichte nur sehr selten gelingt. Aber ein wenig danach streben sollte man auch bei einem Redetext für einen Allerweltstermin in Kleinkleckersdorf. Denn mit der Suche nach dem einen Begriff oder Satz, der es auf den Punkt bringt, verbindet sich zwangsläufig die Frage, was da eigentlich zum Ausdruck gebracht werden soll und mit welchem Ziel. Diese Frage muss immer gestellt und vor allem beantwortet werden, wenn der Redner dem Publikum das nötige Maß an Achtung entgegen bringen soll. Und für das konkrete Publikum, das da irgendwo in einem Saal sitzt und den Gruß-, Fest- oder Tischredner erwartet, handelt es sich niemals um einen Allerweltstermin, auch nicht in Kleinkleckersdorf.

Sprachbilder bereichern jede Rede. Aber Vorsicht: Wie eine Fotografie, so darf auch ein Sprachbild nicht unscharf, verwackelt, farblich verfälscht oder schlecht ausgeleuchtet sein. Ein Bild muss stimmen, sonst bleibt der Redner nicht mit seiner Botschaft in Erinnerung, sondern wegen seiner unfreiwilligen Komik. Im Radio sagte kürzlich ein Fußballclub-Geschäftsführer zum Abgang des Trainers, dessen sportliche Ambitionen müssten mit den wirtschaftlichen Beinen des Vereins in die Waage gebracht werden. Dazu hätte mein Lateinlehrer gesagt: "Das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht!" Wie man mit mißglückten Bildern abstürzen kann, hat Edmund Stoiber demonstriert, als er für den Transrapid von der Münchner Innenstadt zum Flughafen Franz-Josef-Strauß werben wollte.

Der Stoiber-Ausbruch erinnert auch an eine Tatsache, an die Redner und Redenschreiber immer denken sollten: Nicht jeder Lacher ist ein Erfolg. Dagegen transportiert ein Sprachbild, das sitzt, - ob gesprochen oder geschrieben - viel Inhalt, und zwar schnell und ohne Schwund. Wenn die taz ein Alice-Schwarzer-Portrait mit dem Satz überschreibt: "Die Fidel Castra der Frauenbewegung", dann kann sich jeder vorstellen, was gemeint ist.