Montag, 30. Januar 2012

28. Das innere Team


Der Chef kommt von einer Veranstaltung zurück und sagt zum Ghostwriter: ,,Ich fand die Rede ja schön, als ich sie las. Aber die Leute klinkten sich aus. Es kam erst wieder Leben in die Gesichter, als es um Alltagsprobleme ging. Allzu Philosophisches sollten wir doch lieber lassen."

Etwas grundsätzlicher als sonst war das selbstgewählte Thema schon, etwas abstrakter vielleicht die Gedanken. Aber philosophisch? Egal, es war der Ghostwriter-HAU eingetreten, der häufigst anzunehmende Unfall: Der Köder hatte dem Angler geschmeckt, aber mögen muss ihn der Fisch!

Wie kann das passieren? Ich nehme Professor Friedemann Schulz von Thun zu Hilfe, den großen Kommunikationspsychologen aus Hamburg. Von ihm stammt das Modell des Inneren Teams und der diesbezügliche Reim: "Willst du ein guter Kommunikator sein, dann schau' auch in dich selbst hinein!" Dort fänden wir in der Regel verschiedene Stimmen, ,,die sich selten einig sind und die alles daran setzen, auf unsere Kommunikation und unser Handeln Einfluss zu nehmen".

Schauen wir mal in den Ghostwriter hinein, wenn er eine Rede vorbereitet. Eine muntere Runde trifft sich da, es geht zu wie im Weltsicherheitsrat: divergierende Interessen, schlechte  Übersetzung, alle haben eine Stimme, manche ein Veto. ,,Ich vertrete hier den Redner'', sagt der erste: "Ich verlange, dass er gut aussieht mit der Rede. Ihr wisst, was ich meine: klug, aber nicht abgehoben; kompetent, aber verständlich; problembewusst, aber lösungsorientiert; entschlossen, aber offen; kundig, aber nicht besserwisserisch. Und ein bisschen Vision wäre auch nicht schlecht. Vor allem müsste es mal etwas Besonderes sein."

Der Vertreter des Veranstalters sagt, er könne sich kurzfassen: "Ich will nur eins -  eine gelungene Veranstaltung und das Thema Schwarzarbeit muss vorkommen." "Nichts dagegen", sagt der Publikumsvertreter, "aber wenn wir uns - mit An- und Abfahrt - drei bis vier Stunden um die Ohren hauen, dann soll es sich auch lohnen. Wie ihr das macht, ist mir egal."

Weitere Wortmeldungen? Ja, unbedingt, der Ghostwriter selbst! Er muss ja die Wünsche der anderen zum Ausgleich bringen und ist doch selbst kein Eunuch: Er möchte zeigen, was er kann; er möchte nicht als Platt-Schnacker dastehen, der das Publikum unterfordert; nicht als Überflieger, der über die Zuhörer hinweg formuliert; nicht als unfähig, indem er das Puzzle aus Redner, Rede, Situation, Publikum, Rahmen, Tagesaktualität usw. vermasselt.

Laut Schulz von Thun ist das innere Team mitunter ein zerstrittener Haufen, der sehr lästig sein kann. In unserem Falle ist es fast wie im richtigen Leben: Jeder sieht nur sein Interesse, und das ist bei allen das gleiche: Man will nicht für blöd gehalten werden - der Ghostwriter nicht vom Redner, der Redner nicht vom Publikum, das Publikum nicht vom Redner. Beim inneren Team des Ghostwriters ist es wie bei realen Teams: Die Sitzung ist zu Ende, aber es ist nicht alles ausdiskutiert. Einige haben sich in den Vordergrund gespielt, und jemand hätte ihnen mehr Kontra geben sollen. Es gibt ein Ergebnis, aber es ist zu vage geblieben.

So kann es kommen, dass eine Rede nicht gut funktioniert und sich das erst "in situ" zeigt. Was lehrt mich der Fall? Der Ghostwriter muss an sich arbeiten, was das Leiten und Moderieren des inneren Teams angeht.