Montag, 23. Januar 2012

27. Pizza ist das A und O

"Ich erwarte", schrieb Cicero vor über 2000 Jahren, "dass der vollkommene Redner sich zunächst ein Thema ausfindig macht, womit er sich einer kultivierten Hörerschaft würdig zeigt, bevor er überhaupt einen Gedanken an Sprache und Ausdruck verwendet."

Als ich einmal eilig eine Rede zu schreiben hatte, bei der alles unklar schien, ging ich zum Italiener, um essend und trinkend zu überlegen, wie ich die Sache angehen könnte. An diesem Abend entwickelte ich eine Checkliste zur Themenfindung und nannte sie, vom Schöpfungsort inspiriert, "Pizza ist das A & O".

P  wie Publikum: Wen hat der Redner vor sich? Was sind das für Leute? Wo kommen sie her? Wie viele sind es? In welcher Situation befinden sie sich?

I  wie Interessen: Was bewegt die Zuhörer? Was wollen sie und was wollen sie nicht? Welchen Interessen ist der Redner verpflichtet?

Z  wie Ziel: Was soll mit der Rede erreicht werden? Da ist vieles denkbar: Unterhaltung, Motivation, Ehrung, Information, Beziehungspflege und so weiter. Aber man muss sich entscheiden, sonst wird es ein Wischiwaschi.

Z  wie Zusammenhang: Sind die Zuhörer und ihre Interessen in einen größeren Zusammenhang zu stellen? Ergibt sich daraus ein Thema?

A  wie Aktualität: Was beschäftigt gerade die politische Debatte, die Medien, die öffentliche Meinung? Vielleicht lässt sich daraus ein Thema ableiten, vielleicht wird ein Aspekt erkennbar, der unbedingt vorkommen muss.

Wenn man diese fünf Punkte durchgeht, hat man am Ende zumeist ein interessantes Thema für die Rede. Nun empfiehlt es sich, dieses vorläufige Thema kritisch zu überprüfen.

I  wie Information: Sind genügend gesicherte Fakten, Meinungen, Einschätzungen verfügbar bzw. zu beschaffen, um das Thema fundiert zu bearbeiten?

S  wie Stellenwert: Kann sich der Redner damit sehen lassen? Ist das Thema relevant genug?

T  wie Tischgespräch: Nach der Rede stehen die Zuhörer an Bistro-Tischen beieinander. Werden sie über den Inhalt der Rede sprechen? Oder nur darüber, wie langweilig es wieder war oder wie komisch der Versprecher?

Weiter geht es mit dem Check, ob die Rede angemessen und machbar ist. Noch ist Zeit zur Umkehr, noch können wir von vorn beginnen.

D  wie Dauer: Bekommen wir das vorgesehene Thema in den Zeitrahmen eingepasst? Ist es so komplex, so vielschichtig, dass man es verstümmeln müsste? Oder gibt es so wenig her, dass es zu sehr verdünnt werden müsste?

A  wie Applaus: Bietet das Thema Stellen, an denen das Publikum klatschen kann?

S  wie Sahnehäubchen: Gibt es Gelegenheit, eine Kür einzubauen? Eine Passage, mit der Redner sicher punktet?

Nun kommt der finale Check, ob das ausgewählte Thema wirklich geeignet ist für den Menschen, der die Rede halten soll, und für das Publikum, das sie sich anhören muss.

A  wie authentisch: Kann der Redner mit dem Thema authentisch wirken? Passt es wirklich zu ihm? Nimmt man es ihm ab? Oder denkt der Zuhörer: Da hat der Ghostwriter aber kräftig gegoogelt!

O  wie originell: Gelingt es, das Thema so darzustellen, wie es nicht schon tausendmal gemacht worden ist? Sind wir in der Lage, zu dem Gegenstand originäre, originelle Gedanken / Aspekte 7 Zusammenhänge zu entwickeln, mit denen sich unser Redner abhebt?

Es war noch nett beim Italiener. Bei mir funktioniert "Pizza ist das A & O" recht gut, hoffentlich bei Ihnen auch!