Montag, 18. April 2011

17. Ortsumgehung, die Zweite...

Referent Rainer M. schreibt: Ich bin für Straßenbau zuständig. Jedes neue Projekte wird mindestens zweimal gefeiert: erster Spatenstich und dann irgendwann die Inbetriebnahme. Jedesmal werden Reden gehalten, und ich muss sie schreiben. Was kann man da machen?

Lieber Rainer M., Sie tun mir leid. Zweimal dasselbe Projekt, zweimal dasselbe Publikum, zweimal derselbe Redner, aber zwei verschiedene Reden, das ist das Fegefeuer des Redenschreibers! (Die Hölle ist, für die Heringstage in der Stadt K. zum wiederholten Male die lustige Eröffnungsrede des Ehrengastes zu entwerfen.)

Aber da müssen wir nun einmal durch. Was also kann beim ersten Spatenstich gesagt werden? Die geladenen Gäste wissen ja, worum es geht. Also darf man sich nicht lange dabei aufhalten, dass nun der Ort A mit dem Ort B neu verbunden oder das Dorfzentrum C künftig umfahren wird. Spatenstiche sind symbolische Ereignisse, die bewusst machen sollen: Wir stehen am Beginn einer Veränderung. Daraus lässt sich vielleicht der Honig für das Grußwort saugen: Wie lange ist der Bedarf schon artikuliert? Gab es vielleicht schon Vorläuferprojekte, die verworfen worden sind? Was hat sich verändert, dass es nun doch realisiert wird?

Ich würde versuchen, das Thema in Sphären einzuteilen: Der erste Spatenstich markiert das Ende einer Periode des Träumens, des Wünschens, des (solange vergeblichen) Forderns derer, denen das Vorhaben zugute kommt. Das könnte die Perspektive sein, aus dem der Redeinhalt herzuleiten ist.

Die Inbetriebnahme ist der Moment, wo die Veränderung Wirklichkeit wird. Sie markiert den tatsächlichen Anfang des Neuen. Hier könnte sich der Blick nach vorne richten: Wo ist die Wirkung? Wie ist der Nutzen? Wer muss dafür möglicherweise Nachteile in Kauf nehmen?

Zugegeben, das klingt sehr abstrakt. Aber man braucht die abstrakten Gedanken, um den Stoff zu entwickeln und zu sortieren. Mit Kubikmeterangaben über ausgehobenen Boden oder eingebrachten Beton kann der Zuhörer jedenfalls wenig anfangen, es sei denn, er ist auch ein Ingenieur. Von öffentlich-föderaler Finanzierungsakrobatik möchte er verschont bleiben bei einem so erfreulichen Anlass. Und die planungsrechtlichen Trippelschritte, die voraus gegangen sind, verstehen nur diejenigen, die sie selbst vollzogen haben.

Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt, wie Ihnen diese meine Antwort helfen soll. Es ist nur ein einziger Punkt: Durchdenken Sie konkret, worum es bei dem Redeanlass geht, und lassen Sie von dort aus die Gedanken schweifen.

In diesem Sinne: Frohes Schaffen!

PS: Kleiner Trost: Die Kollegen mit den Hochbauprojekten haben zwischen Grundsteinlegung und Eröffnung auch noch das Richtfest...