Montag, 11. April 2011

16. Der Küchenzuruf

Kommt einer zu spät zur Veranstaltung und fragt: "Worüber hat denn der Minister gesprochen?" Antwort: "Das hat er nicht gesagt."

So soll es nicht sein. Aber es kann passieren, wenn bei der Vorbereitung die wichtigste Frage nicht beantwortet oder gar nicht erst gestellt wird: Was soll der Redner eigentlich sagen? Damit meine ich nicht: Wie soll er die Rede hinter sich bringen? Ich meine: Welche Botschaft soll er verkünden?

Das klingt eigentlich selbstverständlich. Kann man eine Rede denn überhaupt schreiben, solange die Quintessenz nicht feststeht? Nichts leichter als das! Für eine ziellose Rede füllt sich das Manuskript fast wie von selbst. Man hat ja Stoff in Hülle und Fülle, solange die Rede nicht auf eine bestimmte Aussage zuläuft.

Nehmen wir eine Rede zum Thema Aus- und Weiterbildung. Man kann alles verwursten, was man dazu weiß oder was die Textbausteine hergeben; man kann sich aber auch für eine Botschaft entscheiden: Aktive Berufsausbildung lohnt sich für die Betriebe! Oder: Aktive Berufsausbildung ist eine Bringschuld der Unternehmen! Oder: Berufsausbildung ist ein Dienst an der Gesellschaft!

Es gibt unzählige Möglichkeiten. Man wählt die geeignete Botschaft danach aus, welchen Charakters der Anlass ist, wer zuhören wird und welchen Hintergrund, welches Profil und welche Ziele der Redner hat. Bei der Preisverleihung für beste Ausbildungsbetriebe sollte eher über den Wert des Ausbildungsengagements von Unternehmen geredet werden. Dass es ihre verdammte Pflicht sei und dass zu wenige Unternehmen ihr nachkommen, passte besser auf eine Fachkonferenz der IHK.

Nur wenn es eine Botschaft gibt, ergibt sich auch eine Logik, eine Argumentation, eine angemessene Stoffauswahl für die Rede. Nur wenn eine Botschaft herausgearbeitet wird, bleibt von der Rede etwas hängen. Henri Nannen, der Gründer des "stern", verlangte genau das von einer guten Magazin-Geschichte. Einer liest sie und wird in der Küche von seinem Partner gefragt, was da drinstehe, muss ihm der eine, treffenden Satz auf den Lippen liegen, der die Sache auf den Punkt bringt. Nannen nannte das den Küchenzuruf.

So sollte es auch bei einer gelungenen Rede sein: Eine Zuhörerin kommt nach Hause, in der Küche fragt der Gatte: "Schatz, was hat der Minister denn gesagt?" Und sie antwortet: "Die müssen mehr tun für die Ausbildung, Fachkräfte werden knapp."